Dienstag, 6. Januar 2015

Didaktik des Daumendrehens

Als ich noch jung, dynamisch und seminargeschädigt war, hatte ich mit voller Begeisterung Unterrichtskonzepte ausgearbeitet, Tafelbilder vorgefertigt und mir die möglichen Fragen meiner Schüler überlegt.
Der Unterricht lief gut, und ich hoffte darauf, nach ein paar Jahren kompletter Ausarbeitung meiner Materialien endlich ein Leben zu führen, das Exbundeskanzler Schröder einst mir versprochen hatte: Die Beförderung zum Faulen Sack.
Leider mochte Herr Stoiber mir diese Beförderung nicht gönnen, deshalb hat er für alle Lehrer, die gerne so faul wie ich werden wollten, das achtjährige Gymnasium G8 eingeführt.
Nach den ersten Erfahrungen war mir ziemlich schnell klar, dass Herr Stoiber mir kein faules Leben schenken wollte: Meine gut erdachten Unterrichtskonzepte konnte ich in den Mülleimer werfen, sie waren nicht ohne Weiteres auf tiefere Jahrgangsstufen übertragbar. 
Ok, neu angefangen, wieder neue Konzepte entwickelt, und weil Stoiber wirklich kein Sozialdemokrat ist, wurde wieder ständig am Lehrplan was geändert (meist natürlich gestrichen).
Daher hatte ich dann beschlossen, den Unterricht nicht mehr für ein Jahr komplett nach und nach durchzuplanen, ich habe begonnen, abgeschlossene Einheiten zu einzelnen Themen des Lehrplan zu entwickeln.
Und wieder keimte in mir die Hoffnung auf, bald zum Faulen Sack befördert zu werden. Leider war Herr Schröder schon lange nicht mehr Kanzler, und meine Schüler wollten mir das Daumendrehen im Unterricht nicht gönnen.
Um meine Beförderung zu verhinden, begannen Schüler in den letzten Jahren, immer unkonzentrierter und undisziplinierter zu werden. Das Vortragen meiner sorgfältig durchdachten Unterrichtseinheiten wurde immer anstrengender. Dann kamen leider auch familiäre Belastungen auf mich zu. Daher passierte es schon öfters, dass  ich nach 6 Unterrichtseinheiten mich nur noch ins Bett legen wollte. Das führte dazu, dass ich ab und zu "Schwellendidaktik" betrieb: Das Unterrichtskonzept wurde beim Übertreten der Türschwelle des Klassenzimmers entwickelt. Das Erstaunliche daran: Diese Stunden waren oft viel besser als meine gut durchdachten Unterrichtskonzepte: Diese  alten Konzepte waren oft zu starr, sie waren nicht flexibel genug, um genau die Bedürfnisse der Schüler abzudecken. 
Seit dieser Erkenntnis verändere ich meinen Unterricht stetig. Ich baue meinen Unterrichtseinheiten nach und um (schon wieder nichts mit Faulenzen!),  so dass ich im Unterricht möglichst oft die Daumen drehen könnte: Je weniger ich sage oder an die Tafel schreibe, umso besser ist meiner Meinung nach der Unterrichtserfolg. Die Schüler sollen sich selber Themen erarbeiten. Das geht nicht bei allen Themen der Mathematik, aber bei vielen. Ich will nicht mehr der Entertainer in der Matheshow sein, sondern die Schüler sollen auf mich zukommen, um etwas zu erfahren. Das funktionniert recht gut, natürlich gibt es Themen aber auch Klassen, die sich für die Art des Unterrichts nicht eignen
Ich möchte euch Konzepte und Arbeitsblätter für diese Art des Unterrichts in diesem Blog anbieten.
Und mein Traum: Ich finde viele andere Mathelehrer, die sich an diesen Blog beteiligen und mir dabei helfen, damit ich weniger arbeiten muss und doch noch zum Faulen Sack mit 100 befördert werde.

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